Überfahrt nach Sizilien 04.08.-11.08.15

Heute vor 10 Tagen sind wir zu unserer ersten großen Überfahrt nämlich von Kreta nach Sizilien aufgebrochen. Es ist schwierig nach einer gewissen Zeit sich an jeden einzelnen Tag zu erinnern, aber wir versuchen, die wichtigsten Erlebnisse unserer Überfahrt aufleben zu lassen. Während der Fahrt war uns es leider nicht möglich, in die Tasten zu greifen. Entweder ist man so mit den Arbeiten an Bord beschäftigt oder man kocht, schläft bzw. hat gerade keine Muse für’s Schreiben. Zudem erschwert die Schaukelei und teilweise Schräglage des Bootes noch, dass man sich in Ruhe hinsetzen kann, um klare Gedanken zu fassen. Michael hat glücklicherweise trotz allem fleißig immer das Logbuch beschrieben. Das nehmen wir nun für die Berichterstattung zur Hilfe.

Unser erster Tag auf See war geprägt von leichten Winden und vielen, vielen Flauten. Das nervte schon gleich zu Beginn, denn immer bei jedem Windhauch wurden die Segel gesetzt um diese ein halbe Stunde oder Stunde später wieder zu bergen. Bei den Flauten motorten wir dann wieder ein Stück. Noch erhofften wir uns, dass es am nächsten Tag besser werden sollte mit dem Wind. Aber im Prinzip zog sich die komplette Fahrt in dem Stil durch.

P1070963Bei einem dieser Segelsetzmanöver am ersten Seetag ist dann eine unserer Vorfallleinen gerissen. Michael hatte das Großsegel bereits gesetzt. Danach war wie üblich das Vorsegel dran. Aufgrund der schwachen Winde kramten wir das größte Vorsegel, die Genua, aus der Vorschiffskabine und wollten diese setzen. Es war auch schon fast ganz hochgezogen, als mit einem „Peng“ die Leine riss, und das Segel geradeso wieder auf das Vordeck rauschte. Michael und Anja sahen wie in Trance zu, wie sich das Segel so breit wie lang auf dem Deck verteilte.(Anmerkung Michael: Ich will gar nicht wissen, wie blöd mein Gesichtsausdruck in dem Moment war und welche Farben es annahm. Das Segel rauschte wie in Zeitlupe an mir vorbei und am Ende flatterte das gerissene Fallenende als wolle es mir zuwinken und Ätsch rufen). Mist aber auch! Wir hätten die Vorfallleinen doch noch in der Türkei austauschen sollen! Leider haben wir am falschen Ende gespart und haben damals in Marmaris zwar über einen Austausch der Leinen gesprochen, jedoch uns wegen der Kosten dagegen entschieden. Diese sollten noch bis Frankreich die Fahrt überstehen. Nun leider jedoch nicht. Was nun? Nach dem ersten Schock, haben wir dann die 2. Vorfallleine genommen und das Segel gesetzt. Seit dem Zeitpunkt hat Michael aber dann die Vorsegel nicht mehr ganz hoch gezogen, aus Angst, auch die 2. Leine könnte reißen und dann könnten wir gar nicht mehr mit Vorsegel weiter segeln. Also ging es mit Vorsicht weiter.

Die Nachtwachen teilten wir uns so ein, dass Anja von 21-23 Uhr als erstes das Steuer übernahm. Michael hatte die Nachtwache von 23-02 Uhr, Anja dann von 02-05 Uhr und Michael dann wieder von 05-08 Uhr. Diesen Rhythmus hielten wir die Zeit auf See über ein.

Am zweiten Tag (05.08.) hatten wir überwiegend schwache Winde mit 2-3 Beaufort. Wir konnten endlich mehr segeln. An dem Tag schafften wir stolze 55 Seemeilen und mussten nur 3 Stunden motoren. Leider stimmten die Windrichtungen und die Windstärken in keiner Weise mit den Vorhersagen überein, somit kreuzen wir. Aber was sollten wir auch machen…weiter geht es. Wir kommen schon irgendwie an unser nächstes Ziel (Sizilien). Leider haben wir uns selbst unter Zeitdruck gestellt, indem wir unbedingt auf Sardinien und Korsika Freunde treffen wollen, die zu einem bestimmten Zeitfenster dort vor Ort sind. Aber auch wollen wir bis zu den kommenden Herbststürmen in Frankreich sein.

In der Nacht nahm der Wind auf 3-4 Beaufort zu. Wir verkleinerten das Vorsegel und setzten unsere Fock I, da wir nachts noch nicht unter voller Beseglung einfach aus Sicherheitsgründen bzw. Unerfahrenheit segeln wollten. Langsam aber sicher sprechen wir an Bord über Heimweh und über die Dinge, die wir doch sehr von unserem alten Zuhause vermissen.

Der dritte Tag bescherte uns wieder Schwachwinde und viele, viele Flauten, die wir unter Motor überbrückten. Eigentlich hatten wir ja gesagt, dass wir Flauten ganz einfach aussetzen und auf Wind warten. Aber durch die Tatsache, dass wir Ende August in Sardinien sein wollen, müssen wir es eigentlich laufen lassen. An Bord diskutieren wir zum ersten Mal darüber, ob wir motoren sollen oder die Flauten abwettern. Aber wann kommt eine Wetterbesserung, sprich Wind zum Segeln? Die Frage konnte uns leider keiner beantworten. Zudem nervte es gewaltig, wenn die Segel von der Dünung hin und her geschlagen werden. Die Triskèle wiegt sich hin und her und somit auch dass komplette Segelgeschirr. Mit jedem Hin und Her fliegen scheppert es zudem in den Bordstaufächern. Es knarrt, quietscht und klappert. Von den Nachwachen sind wir zudem auch unausgeschlafen und angespannt zugleich. Derjenige, der sich während der Nacht zum Schlafen hinlegen möchte kann meist nicht gleich einschlafen bzw. wird durch das Scheppern und Rollen der Yacht meist noch eine Weile wach gehalten. Nachts herrscht reger Schiffsverkehr und der Wachhabende muss volle Konzentration behalten. Mitten in der Nachtwache von Anja werden wir 3 Mal von einem nahe an uns vorbei fahrenden Frachter angeleuchtet. Was soll denn das? Anja ruft nach Michael, der verschlafen an Deck stürmt. Der Frachter war ganz schön auf Tuchfühlung, aber dreht bei und verschwindet dann auch gleich in der Dunkelheit. Wir rätseln noch lange auch am nächsten Tag, was diese unheimliche Begegnung zu bedeuten hatte.

Auch am vierten Tag (07.08.) bessern sich die Windverhältnisse nicht und zehren ganz schön an unsere Nerven. Wir kommen nur langsam voran. Am späten Nachmittag und am Abend war ein Segeln mit 2.5 Knoten möglich. Für die Nacht beschließen wir jedoch, mit Motor weiter zu fahren um auch manövrierfähig zu bleiben. Nachts im Dunkeln einem Frachter nicht ausweichen zu können, das wäre nicht so der Hit! An dem Tag schafften wir nur 28 Seemeilen wobei wir noch 12 Stunden motort sind.

P1070977Der fünfte Tag (08.08.): Wieder motoren wir. Um 13:15 machen wir den Motor aus und lassen uns treiben. Irgendwann geht einem auch das Motorengeräusch auf den Zeiger. Wir können doch nicht die ganze Strecke unter Motor fahren! Würde der Sprit überhaupt reichen? Wir rechnen durch. Wer weiß ob wir aber für den Notfall dann auch noch genügend Sprit haben? Die Tankanzeige sieht vertretbar aus. Motoren kostet jedoch Geld, was wir nicht unnötig verpulvern wollten. Das Meer gleicht einem Spiegel, jedoch haben wir genügend Dünung um hin und her geschaukelt zu werden. Das Boot rollt unangenehm. Anja beschließt eine Runde im Meer zu baden. Ist ja eigentlich nichts anderes als in einer Bucht. Doch beim Gedanken, dass unter ihr 3000 Meter Wasser sind, schwimmt sie nicht weit und hält sich immer mit einer Hand an der Triskèle fest. Welch ein blau in der Tiefe des Meeres! Ein Blick nach unten mit der Taucherbrille ist beeindruckend auch wenn man nur blaues Wasser sehen kann. An Fischen kann Anja leider nur einen kleinen Barsch ausmachen, der um unser Boot herumschwirrt. Zu schade, um diesen zu Angeln und zum Essen auch zu wenig. Er soll seine Freiheit weiter genießen dürfen. Um 15:30 kommt eine leichte Brise. Wir ziehen die Segel hoch.

P1070988In der Ferne entstehen Gewitter, die rasch näher kommen. Dachten wir doch, dass diese an uns vorbeiziehen würden. Leider falsch gedacht! Zu schnell und plötzlich kommen die schwarzen Gewitterwolken auf uns zugerast. Schnell Segel bergen! Michael holt das Großsegel runter. Anja lenkt die Triskèle in den Wind, damit das Segel im Wind geborgen werden kann. Dabei stellten wir fest, dass sich binnen Minuten eine gewaltige See aufgebaut hatte. Der Wind dreht auf. Von Windstärke 1 in Minuten auf Windstärke 10. Keine Zeit um das Großsegel zu sichern. Schnell das Vorsegel runter! Bedingt dadurch, dass Anja die Triskèle nicht richtig in den Wind stellen konnte, hat Michael Mühe das Vorsegel zu bergen. Der Bug tanzt in den Wellen. Anja hat zu wenig Gas zum Anfang und kommt nicht gegen die Wellen und den Wind an. Mit Vollgas ging es dann. Das Großsegel schlägt derweil und flattert im Wind. Anja hält es an einer der Reffleinen angezogen, damit es nicht zu arg in der Gegend umherschlägt. Wir fallen ab und laufen vor dem Sturm. Immer wieder lassen die ca. 2,5 m Wellen die Triskèle auf den Wellen surfen. Der Wind peitscht die Wellen auf. Etwa eine Stunde später lässt der Wind nach und schläft gänzlich wieder ein. Die See bleibt jedoch aufgewühlt und lässt die Yacht rollen. Wir beide sind erleichtert, dass wir die Segel bergen konnten, dass das Gewitter vorbei war und wir noch heile an Bord. Jedoch hat uns die überraschende Kehrtwende des Gewitters sehr viel Ehrfurcht vor dem Meer und dem Wetter beschert. Wir sprechen offen über unsere durchlebte Angst während diesem Gewitter. Sollten wir doch aufgeben und unsere Reise beenden? Sind wir dem Ganzen gewachsen? War unsere Entscheidung, in Deutschland alles aufzugeben, falsch? Wir sind uns einig, dass wir erst einmal weitermachen. Wir geben doch nicht nach dem ersten Sturm auf!

Wir sind eben noch unerfahren und müssen uns noch an so viele Dinge gewöhnen. Woher sollte die Erfahrung auch kommen, wenn man diese nicht bei solchen Ereignissen sammelt? Dennoch sprechen wir wieder das Heimweh an. Es gibt viele Dinge, die wir von Land her vermissen. Besonders Michael plagt das Heimweh. Fix und alle fahren wir mit Motor durch die Nacht und beobachten kritisch die leichten Gewitter in der Ferne. Michael wird zudem noch von Rückenschmerzen geplagt. Hoffentlich bessert sich sein Zustand in den kommenden Tagen. Er kann kaum mehr richtig laufen und quält sich bei jedem Schritt.

Schadensmeldung vom Boot durch das Gewitter: Eine Lasche am Großsegel hat es durch das Schlagen im Wind aufgefetzt und die darin enthaltene Stabilisationslatte ist über Bord gegangen. Latten hätten wir an Bord, jedoch müssen wir die Lasche nähen lassen oder selbst versuchen zu nähen.

Am sechsten Tag auf See (09.08.)war das Meer vom gestrigen Gewitter noch ziemlich aufgewühlt. Wir allerdings auch noch. Michael nimmt Schmerztabletten für den Rücken ein.

P1070983Heute ist Sonntag und da gibt es bei uns an Bord Kaffee zum Frühstück. Michael freut sich immer wieder sehr auf unsere Sonntage, ein kleiner Trost zumindest. Gegen Mittag kommt eine leichte Brise auf, sodass wir Segel setzen und ein bissel Segeltrimm üben und ausprobieren. Gegen Abend schläft der Wind wieder ein. Wir nehmen die Segel runter und lassen uns treiben. Es war ein schöner Abend. Erst nach Einbruch der Dunkelheit sind wir mit Motor weitergefahren.

Der Wind kommt am siebten Tag aus Nord mit ca. 2 Beaufort. Wir können bis 17 Uhr segeln. Dann zieht jedoch ein Gewitter auf, wir drehen bei und warten bis das Gewitter vorbei ist. Nicht noch einmal wollen wir mit dem Bergen der Segel zu spät dran sein. Dieses zieht jedoch nicht über uns hinweg. So haben wir nur die Ausläufer mit Wind und Wellen. Während der Zeit des Beidrehens kochen wir uns etwas Gutes zu Nacht. In der Nacht können wir gerefft segeln. Michael wird nun jedoch ungeduldig und will langsam endlich ankommen. Um Mitternacht sind es noch etwas 60 Seemeilen bis Messina/Sizilien. In der Nacht schläft der Wind wieder ein und wir drehen uns im Kreis. Es ist kein Vorankommen mehr.

P1070997In den Morgenstunden des 8. Seetages (11.08.) wirft Michael unter Protest von Anja wieder den Motor an. Michael ist endgültig genervt und will ankommen, will festmachen. Ärgert er sich doch ständig über verhedderte und überlaufende Leinen beim Bedienen der Winschen zum Segelsetzen. Ihm tun die Knochen weh, ist müde und ausgelaugt von den letzten Tagen auf See. Wieder verheizen wir Diesel. „Aber sonst kommen wir heute nicht mehr in Messina an“, gibt Michael den Einwand. Der Gedanke, in der Straße von Messina in der Schifffahrtsstraße herumzudümpeln ist auch nicht sehr berauschend. Bei der Einfahrt in die Straße ziehen wieder Gewitter mit stärkeren Winden auf. Die See wird zunehmend rauer, ungemütlicher und so fahren wir kurzerhand nach Reggio di Calabria statt nach Messina. Dort wollen wir endlich festmachen und uns mit neuen Leinen für das Vorsegel und das Großsegel versorgen. Dringend jedoch wollen wir uns erholen und ausschlafen! Ursprünglich wollten wir im Stadthafen längsseits an der Kaimauer festmachen. Dort wurden wir jedoch von der Küstenwache verjagt und zur Marina verwiesen. Die Marina ist klein und eng. Michael quälte sich rückwärts an den Anleger. Nach vielen Versuchen hat es dann endlich geklappt. Die Marina ist teuer und bietet keinen Service für 50 €/Nacht. Wasser und Strom ist zwar kostenlos am Steg, jedoch sind die Sanitäranlagen ca. 1 km zu Fuß weg. Das ist ein absolutes Nogo! Free WIFI haben sie auch nicht wirklich. Um Internet zu bekommen müssen wir knapp einen Kilometer zu einem Restaurant laufen und natürlich dort wieder etwas bestellen. Auch das Stadtzentrum zum Einkaufen ist 30 Minuten entfernt. Zum Glück sprach uns ein Italiener namens Saverio an. Er ist Taxifahrer und ist laut Rod Heikell so was wie der gute Samariter für Yachties und hilft bei Besorgungen. Er kann natürlich kein Deutsch, Englisch oder Französisch, wir natürlich kein Italienisch. „Supermarket“ hatte er jedoch verstanden und dass wir für den Fahrtdienst kein Geld hätten. Aber so kamen wir kostenlos zum Supermarkt und konnten einkaufen. Zwei Leinen, sowie eine neue LED-Leuchte für unser Hecklicht konnten wir dann auch noch in einem Marineshop besorgen. In der Türkei wäre uns das allerdings alles billiger gekommen. Das Hecklicht wird noch vor Ort im Hafen ausgetauscht. Das Austauschen der Leinen machen wir in der nächsten Ankerbucht. Wir wollen auf jeden Fall den hässlichen, teuren Hafen verlassen und durch die Straße von Messina kommen am nächsten Tag. Als nächstes Ziel nehmen wir uns die Isola Vulcano vor.